Die Jahresbilanz zwischen Stromproduktion und Stromverbrauch ist in der Schweiz etwa ausgeglichen. Im Sommer fällt ein Überschuss aus Wasserkraft an, im Winter reicht die Produktion nicht, um den Bedarf zu decken.
Von den rund 66 TWh Strom, die in der Schweiz produziert werden, kommen ca. 38 TWh (57%) von der Wasserkraft, 24 TWh (36%) von der Kernenergie und 5 TWh (7%) von anderen Quellen (Konv.-therm. und erneuerbar). Im Winterhalbjahr liegt der Anteil aus Wasserkraft bei 52% (16.2 TWh), aus Kernenergie bei 41% (12.9 TWh).
Aus den Tabellen wird ersichtlich, dass die Kernenergie v.a. im Winter mit 41 Prozent Produktionsanteil einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der inländischen Stromverbraucher leistet. Trotzdem besteht dann noch ein Importbedarf von beinahe 4 TWh. Ohne Ersatz wird dieser Importbedarf im Winter kaum geringer, wenn mit der Umsetzung der Energiestrategie die Kernenergie vom Netz gehen wird.
Siehe Beitrag «Energiestrategie und Versorgungssicherheit»
und Beitrag «Quintessenz der Energiestrategie»
Es werden Stimmen laut, die deshalb mehr inländische Produktion fordern, speziell für den Winter. Erklärtes Ziel ist es, mit einer subventionierten Winterreserve von 2 TWh den Schweizer Stromverbrauch während 22 Tagen ohne Importe gewährleisten zu können. Ob es physikalisch-technisch überhaupt möglich ist, diese Energie den inländischen Verbrauchern zukommen zu lassen, ohne dass sie grenzüberschreitend abfliesst, sei dahingestellt. Die Absicht einer nochmaligen weiteren Förderung der Wasserkraft (Positionspapier Förderung Wasserkraft) zu Lasten der inländischen Stromkunden wirft drei Fragen auf: erstens, ob es die Winterreserve überhaupt braucht, zweitens, ob die Versorgung allenfalls nicht durch andere volkswirtschaftlich günstigere Massnahmen gewährleistet werden kann, und drittens, wie hoch die Marktpreise denn noch steigen müssen, damit die Wasserkraftproduzenten aufhören, sich über mangelnde Renditen zu beklagen. Jedenfalls kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Spotmarktpreise sehr hoch sein werden, wenn eine Winterreserve zum Einsatz kommen muss.
Tatsache ist, dass Bund und Kantone gemäss Artikel 89 der Bundesverfassung verpflichtet sind, sich für «eine ausreichende, breit gefächerte, sichere wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung» einzusetzen. Da sich die Elektrizitätswirtschaft überwiegend in öffentlicher Hand befindet, haben sie direkten Einfluss auf die Art und Weise, wie Wasserkraftwerke bewirtschaftet werden. D.h. sie können, wenn es die Versorgungssituation verlangt, ausreichend Reserven für die Wintermonate halten, ohne dafür subventioniert werden zu müssen.
Dass es eine speziell subventionierte Winterreserve nicht braucht, zeigt eine Analyse der publizierten Daten von Swissgrid und BFE. Es wurde berechnet, ob der Inhalt der Speicherseen anfangs Monat jeweils ausreichen würde, um zusammen mit der normalen Stromproduktion aus Wasserkraft und anderen Quellen die Versorgung für den betreffenden Monat sicherzustellen. Dabei wurde die Stromproduktion aus Kernkraftwerken nicht berücksichtigt und Exporte waren nicht erlaubt – eine Auflage, die bei einer dezidierten Winterreserve ebenfalls erfüllt werden müsste.
Das Resultat ist in folgender Grafik dargestellt.
Die Analyse zeigt, dass im Mittel anfangs Monat auch in den kritischen Monaten März und April gerade noch genügend Energie in den Speichern lagert, um die Versorgung für den betreffenden Monat aufrecht zu erhalten. Eine Reserve von 22 Tagen, die mit der dezidierten Winterreserve herbeisubventioniert werden soll, ist nicht nötig. Ggf. muss aber der verfassungsmässige Auftrag der Elektrizitätswirtschaft zur Versorgung der inländischen Verbraucher auf Gesetzesstufe präziser gefasst werden, indem Kriterien der Versorgungssicherheit stärker gewichtet werden. Die Gewinnmaximierung im internationalen Stromhandel hat nicht oberste Priorität.
Wie die Analyse gezeigt hat, müsste es mit Vorgaben zur Speichernutzung und mit Exportrestriktionen möglich sein, auch in kritischen Jahren in den Monaten März und April die Versorgung sicherzustellen.
Eine subventionierte Winterreserve braucht es dafür nicht.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Stromwirtschaft ihre Versorgungsaufgabe bislang gut erfüllt hat. Sie hat die Möglichkeiten des Aussenhandels dank der gut vernetzten zentralen Lage der Schweiz vorteilhaft genutzt und gleichzeitig ausreichend Reserven für die Wintermonate gehalten. Falls nun eine subventionierte Winterreserve eingeführt werden soll, so soll auch der Handlungsspielraum der Stromwirtschaft mit klaren neuen Gesetzesbestimmungen so eingeschränkt werden, dass die Priorität in den Wintermonaten bei der inländischen Versorgung liegt.