Hohe Kosten, schlechte Verfügbarkeit und schlechte Datenqualität sorgen für Unmut und Ärger bei Verbrauchern und Dienstleistern, die in ihrem Portfolio viele im ganzen Land verstreute Verbrauchsstätten haben.
Ein Messwesen, das in den traditionellen Gebietsmonopolen der Netzbetreiber behaftet ist, hemmt Anbieter, die gebietsübergreifend neue Dienstleistungen entwickeln und vermarkten wollen. Diskriminierungsfreier Zugang zu Messdaten zu wettbewerbsfähigen Preisen ist eine Grundvoraussetzung für einen dynamischen und funktionierenden Strommarkt.
Obwohl Branchendokumente der Stromwirtschaft für berechtigte Akteure klare und im Sinne der ElCom Mitteilung vom 12.05.11 durchaus auch liberale Vorgaben für den diskriminierungsfreien Zugang zu den Messdaten machen, klappt dieser in der Praxis oft nur ungenügend bzw. muss mühsam mit viel Aufwand errungen werden. Immerhin setzt sich auch die Branche für einen preiswerte Dienstleistung ein, wollen das Messwesen aber im Monopolbereich sehen (Schreiben des VSE an die Verteilnetzbetreiber). Verbraucher versprechen sich von Wettbewerb im Messwesen eine bessere Dienstleistung zu günstigeren Preisen.
In einer Verfügung vom 15.10.2015 kommt die ElCom nun zum Schluss, dass die Bestimmung in Art. 8 Abs. 2 StromVV nicht ausreichend Rückhalt im Gesetz hat, um daraus abzuleiten, dass Dritte, die Messdienstleistungen erbringen wollen, von einem Netzbetreiber nur dann abgelehnt werden dürfen, wenn dadurch der sichere Netzbetrieb gefährdet werde (sinngemäss so fesgehalten in der früheren ElCom Mitteilung vom 12.05.2011).
Die ElCom hat per 03.11.2015 aufgrund der neuen Verfügung auch ihre ursprüngliche Mitteilung zu Messkosten und Zufriff auf Messdaten korrigiert. Die Einschränkung, dass Dritte Messdienstleister nur abgelehnt werden dürfen, wenn der Netzbetrieb dadurch gefährdet wird, wurde gestrichen. Demnach können Dritte auch aus anderen Gründen bzw. ohne Angabe eines Grundes abgelehnt werden.
Im konkreten Fall geht es um die Messung der Einspeisung der Stromproduktion aus einer privaten PV-Anlage. Der Eigentümer der Anlage ist unzufrieden über die hohen Messkosten und wollte einen Dritten als Messdienstleister beauftragen.
Dass man in dieser Angelegenheit aus juristischer Sicht auch anderer Meinung sein kann, zeigt die Beurteilung eines renomierten Anwalts und Spezialisten des Verwaltungsrechts.
→ abrufbar für eingeloggte GGS-Mitglieder
Art. 8 Abs. 2 StromVV
… die Richtlinien müssen vorsehen, dass Dienstleistungen im Rahmen des Mess- und Informationswesens mit der Zustimmung des Netzbetreibers auch von Dritten erbracht werden können.
Für diesen Fall relevante Verfügung der ElCom ist diejenige vom 15.10.2015
Mitteilungen: 12.05.2011 und 03.11.2015
Mittlerweile wurde der Fall vom Bundesgericht im Sinne des Klägers entschieden: Messwesen liberalisiert!
Urteil 2C_1142/2016 des Bundesgerichtes
Aufgrund von Art.8 Abs. 2 StromVV wollte der Betreiber mehrerer PV-Anlagen Messdienstleistungen von einem Dritten beziehen. Der Netzbetreiber verweigerte seine Zustimmung.
Sowohl die ElCom in erster und das Bundesverwaltungsgericht in zweiter Instanz haben die Haltung des Netzbetreibers gestützt. Diese hatten im Wesentlichen damit argumentiert, dass eine gesetzliche Grundlage für die Liberalisierung des Messwesens fehle und die Zustimmung des Netzbetreibers auch ohne Angabe von Gründen verweigert werden könne.
Das Bundesgericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat die Entscheide der Vorinstanzen nun aufgehoben. Konkret wurde das Recht eines Produzenten bestätigt, die Messdienstleistung für die Einspeisung des Stromes aus seinen drei PV-Anlagen von einem Dritten beziehen zu dürfen. Es geht dabei um die Messdatenbereitstellung bzw. Fernauslesung der Lastgangmessung (Auslesen der Daten, Aufbereitung der Daten und Verarbeitung bzw. Datentransfer).
Interessant ist die Argumentation des Bundesgerichtes, weil sie Elemente enthält, die allgemein auf Messdienstleistungen angewendet werden können und deshalb über den konkreten Einzelfall hinaus reichen.
Das Bundesgericht hält in Rz. 4.1 fest, dass die Ausübung einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit unter dem verfassungsmässigen Schutz der Wirtschaftsfreiheit stehe und die Vertragsfreiheit inkl. die freie Wahl der Vertragspartner mit einschliesse. «Nicht die Liberalisierung bzw. die Zulassung von Wettbewerb, sondern im Gegenteil die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit und des Wettbewerbs bedarf einer verfassungsmässigen und gesetzlichen Grundlage.»
Das Gericht hat deshalb geprüft und bejaht, dass sich der Produzent im Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit befindet und keine gesetzliche Grundlage identifiziert, mit der diese in Bezug auf das Messwesen eingeschränkt wird. Messdienstleistungen fallen demnach nicht unter das Monopol des Netzbetreibers sondern gehören zum Betrieb des Elektrizitätsproduzenten.
Die Verantwortlichkeit der Netzbetreiber in Art. 8 Abs. 1 StromVV bedeutet nicht, dass Netzbetreiber die entsprechenden Tätigkeiten zwingend selber ausüben müssen. Die allermeisten Netzbetreiber haben Messdienstleistungen oder Teile davon ausgelagert. «Regelungsverantwortung begründet per se noch kein Monopol» (Rz. 5.2.4). «Nach Art. 8 Abs.5 StromVV müssen Endverbraucher und Erzeuger (und nicht die Netzbetreiber) mit Lastgangmessung ausgestattet sein. Das spricht dafür, dass diese Messungen zum Zuständigkeitsbereich der Endverbraucher und Produzenten gehören. Jedenfalls tragen diese deren Kosten» (Rz. 5.2.7).
Das Bundesgericht folgert, dass Verrechnungsmessungen bei Produktionsanlagen mit einer Anschlussleistung von mehr als 30kVA – das sind solche, die mit Lastgangmessung ausgestattet werden müssen – Sache des Produzenten sind.
Weil es im Verfahren um die Messung bei Produzenten und nicht Endverbrauchern ging, sagt das Bundesgericht nicht explizit, wie Messdienstleistungen bei Endverbraucher im Markt zu beurteilen sind, die ja auch auf eigene Kosten eine Lastgangmessung installiert haben. Viele Argumente des Bundesgerichtes lassen sich analog auf die Situation bei Endverbrauchern übertragen. Ob dies auch in einem Streitfall standhalten wird, ist damit aber nicht gesagt.
Im Urteil 2C_1142/2016 hat das Bundesgericht das Recht eines Produzenten bestätigt, die Messdienstleistung für die Einspeisung des Stromes aus seinen drei PV-Anlagen von einem Dritten beziehen zu dürfen.
Das Bundesgericht klärt, dass die in Art. 8 Abs. 1 & 2 der Stromversorgungsverordnung spezifizierte Verantwortung der Netzbetreiber per se kein Monopol begründet und hält fest, dass «Nicht die Liberalisierung bzw. die Zulassung von Wettbewerb, sondern im Gegenteil die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit und des Wettbewerbs […] einer verfassungsmässigen und gesetzlichen Grundlage [bedürfe] ». Die Ausübung einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit stehe unter dem verfassungsmässigen Schutz der Wirtschaftsfreiheit und die Vertragsfreiheit schliesse die freie Wahl der Vertragspartner mit ein.
Die Argumentation des Bundesgerichtes liesse sich vermutlich in einem neuen Verfahren auch auf die Messdatenbereitstellung bzw. Fernauslesung der Lastgangmessung (Auslesen der Daten, Aufbereitung der Daten und Verarbeitung bzw. Datentransfer) von normalen Endverbrauchern ausdehnen.
Unabhängig davon kommen ab dem 1. Januar 2018 Änderungen zur Anwendung, die den Anliegen der Verbraucher entgegen kommen. Insbesondere wird die Einführung intelligenter Messsysteme obligatorisch, die gewissen Anforderungen genügen müssen. U.a. müssen sie über eine bidirektionale Kommunikationsschnittstelle verfügen, die vom Endverbraucher oder Erzeuger z.B. zur Auslesung von Messwerten und Lastgängen genutzt werden kann (Art. 8a Abs. 2 Bst. a. Ziff. 3.). Da ab 2018 nur noch intelligente Messsysteme installiert werden dürfen, werden deren Kosten zu den anrechenbaren Kosten des Netzbetriebs geschlagen. Das gilt nicht für bereits installierte Systeme, die bei marktberechtigten Verbrauchern in Zusammenhang mit dem Zugang zum Strommarkt installiert wurden. Diese können unter Beibehaltung der bisherigen Kostentragung bis ans Ende ihrer Lebensdauer weiter betrieben werden.
Alsdann ist der Zugriff der Netzbetreiber auf Stromverbrauch bzw. -produktion bei Endverbrauchern und Erzeugern über intelligente Steuer- und Regelsysteme nur mit dem expliziten Einverständnis der Endverbraucher bzw. Erzeuger zulässig und muss angemessen abgegolten werden (Art. 17b StromVG und Art. 8c Abs. 1 StromVV). Der Zweck der vertraglichen Verwendung von intelligenten Steuer- und Regelsystemen durch den Netzbetreiber ist der sichere, leistungsfähige und effiziente Netzbetrieb. Nicht dazu gehört z. B. die Optimierung des Eigenverbrauchs, da diese vor allem im Interesse des Eigenverbrauchers und nicht zwingend des Netzbetreibers liegt (siehe Erläuterungen zu den Ausführungsbestimmungen S. 16). Dritten muss der Zugang zu intelligenten Steuer- und Regelsystemen diskriminierungsfrei gewährt werden, wenn die Systeme über Netzkosten finanziert werden (Art. 8c Abs. 4). Den Endverbrauchern und Erzeugern ist jederzeit der kostenlose Zugang zu dieser Schnittstelle und den Messwerten zu gewähren. Siehe auch Tab «Wechsel des Messdienstleisters»
Urteil 2C_1142/2016 des Bundesgerichtes vom 14. Juli 2017; Wechsel des Messdienstleisters.