Das Stromversorgungsgesetz (StromVG, Art. 22 Abs. 3 & 4) beauftragt die ElCom mit der Überwachung der Stromversorgungssicherheit in der Schweiz. Dazu erfasst und verfolgt sie verschiedene Beobachtungsgrössen in den Bereichen Netze, Produktion, Kosten und Tarife sowie Entwicklungen in den Nachbarländern. Zeichnet sich mittel- oder langfristig eine erhebliche Gefährdung der inländischen Versorgungssicherheit ab, unterbreitet sie dem Bundesrat Massnahmen nach Artikel 9 StromVG.

Mittelfristig sieht die ElCom in ihrem Bericht keine Veranlassung, dem Bundesrat Massnahmen vorzuschlagen. Gleichwohl werden verschiedene Entwicklungen aufgezeigt, die die Stromversorgungssicherheit der Schweiz längerfristig tangieren können.

Beim Übertragungsnetz nehmen aufgrund der flussbasierten Marktkopplung in der Zone CWE, von der die Schweiz mangels Stromabkommen ausgeschlossen ist, die ungeplanten Flüsse durch die Schweiz zu. Die Volatilität steigt, auch wegen der vermehrten Einspeisung von Windkraft und Sonnenenergie. Überlastungen im Übertragungsnetz müssen vermehrt mit Redispatch-Massnahmen und ggf. Lastabwürfen vermieden werden. Die entsprechend steigenden Kosten für die Systemdienstleistungen werden sich auf das Netzentgelt auswirken. Zudem müssen die Reserven überhaupt erst vorhanden und dann auch noch verfügbar sein.

Der Ausbau der Netze geht schleppend voran. Praktisch alle strategisch wichtigen Verbindungen erleiden mehrjährige Verzögerungen aufgrund von Einsprachen. Nicht adäquat ausgebaute Netze erhöhen das Risiko von Netzüberlastungen, was zu kaskadenartigen Ausfällen weiterer Leitungen führen kann.

Bei der Stromproduktion mehren sich die Stimmen, die wegen dem Phase-out der Kernenergie das Risiko einer höheren Importabhängigkeit sehen. Zwar ist die Schweiz mit hohen Grenzkapazitäten an alle Nachbarländer angebunden. Die effektiv für die Versorgung verfügbare Kapazität ist aber von mehreren Faktoren abhängig, z.B. der Beanspruchung des 380-Kilovolt Übertragungsnetzes durch die Transite. Stromimporte sind nur bei vorhandener Transportkapazität und Exportbereitschaft der Nachbarländer möglich. Zudem muss im Inland ausreichend Transformationskapazität vorhanden sein, um von der 380- auf die für die Versorgung relevantere 220-Kilovoltebene transformieren zu können.

Gemäss Energiestrategie des Bundesrates sollen die wegfallenden 25 TWh Stromproduktion aus Kernenergie bis 2050 mit erneuerbaren Energien ersetzt werden. Vor allem die Zubauraten bei der Photovoltaik lassen vermuten, dass das erste Zwischenziel für 2020 (4’400 GWh) erreicht werden kann. Bei den Zielen für 2035 (11’400 GWh) und 2050 (24’200 GWh) ist das fraglich. Für die Versorgung der Schweiz ist v.a. die Winterproduktion relevant. Die ElCom empfiehlt deshalb den Zubau von mindestens 5 TWh Winterstromproduktion im Inland, hält sich aber betreffend Technologien bedeckt, ausser einem Hinweis auf Gaskraftwerke, die aber im gegenwärtigen Marktumfeld nicht rentabel seien.

Einen massgeblichen Einfluss auf die Versorgungssicherheit hat der Einbezug der Schweiz in den europäischen Verbundbetrieb. Das Massnahmenpaket «Saubere Energie für alle Europäer» (Clean Energy Package) soll unter anderem den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU fördern. Für grenzüberschreitende Stromflüsse sollen die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden (70%-Regel). Innereuropäische Netzengpässe müssen deshalb entweder in den betreffenden Ländern behoben werden oder die Stromflüsse nehmen den Kirchhofschen Regeln folgend andere Wege (Loop-Flows). In gewissen Situationen wird das Schweizer Übertragungsnetz davon relativ stark betroffen, beispielsweise für den Stromfluss von Deutschland nach Frankreich während winterlichen Kälteperioden. Da Schweizer Grenzkapazitäten mangels Stromabkommen von der flussbasierten Marktkoppelung ausgeschlossen sind, sind die Einflussmöglichkeiten auf die internationalen Regeln begrenzt. Die Kosten für Mitigationsmassnahmen (trilateraler Redispach DE-F-CH) tragen grösstenteils die Schweizer Verbraucher über die Systemdienstleistungen.

Ein Nachteil für die hiesigen Produzenten ist der Ausschluss aus dem europäischen System für Intraday-Handel (XBID). Kurzfristhandel ist insbesondere für die hochflexible Wasserkraft attraktiv. Bekanntlich beklagt sich diese über mangelnde Rentabilität und bezieht Unterstützung, die von den Verbrauchern über den Netzzuschlag finanziert werden muss.

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