Es ist eine Binsenwahrheit, dass ein hoher Lebensstandard mit einem höheren Energieverbrauch einhergeht als ein tiefer Lebensstandard. Gleichwohl gibt es bei vergleichbarem Lebensstandard beachtliche Unterschiede beim Energieverbrauch und den Emissionen von Klimagasen.
Als Indikator für den Lebensstandard kann das Brutto-Inland-Produkt (BIP bzw. engl. Gross Domestic Product, GDP) verwendet werden, das pro Einwohner eines Landes erwirtschaftet wird. Das BIP ist ein Mass für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Es gibt den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen an, die innerhalb eines Jahres innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft als Endprodukte hergestellt wurden, nach Abzug aller Vorleistungen.
Als Indikator für den Energieverbrauch kann der Primärenergieverbrauch verwendet werden, der die Energieträger Erdöl, Erdgas, Kohle, Kernenergie, Wasserkraft und Erneuerbare umfasst. Der Stromverbrauch ist teilweise Explizit über Kernenergie, Wasserkraft und Erneuerbare berücksichtigt, teilweise implizit in den Energieträgern Erdöl, Erdgas und Kohle enthalten, die zu mehr oder weniger grossen Anteilen als Brennstoffe für die Stromproduktion eingesetzt werden.
Die Klimagasemissionen schliesslich werden in CO2-Äquivalenten gemessen, d.h. der unterschiedlich starke Treibhauseffekt verschiedener klimawirksamer Gase wird auf denjenigen von CO2 normiert.
Die erste Grafik zeigt das Verhältnis von Primärenergieverbrauch zum BIP für einige ausgewählte Länder. Der Kreismittelpunkt zeigt, wie viel Primärenergie pro Kopf der Bevölkerung verbraucht und welches BIP im betreffenden Land erzielt wird. Die Masseinheiten sind Tonnen Öl-äquivalente (toe) für die Primärenergie und kaufkraftbereinigte US$ für das BIP.
Es besteht kein zwingender Kausalzusammenhang zwischen dem Primärenergieverbrauch und dem BIP, die Tendenz ist aber schon offensichtlich. Die Volkswirtschaften in Ländern, die pro Kopf viel Energie verbrauchen, erzielen ein hohes BIP.
Die Unterschiede sind trotzdem enorm. So weist z.B. Kanada von den dargestellten Ländern den höchsten Primärenergieverbrauch per capita aus, in der Wertschöpfung gelingt es aber anderen Nationen mehr BIP zu erzielen. Umgekehrt weisen Deutschland oder Japan und Kanada ein ähnlich hohes BIP aus, in Deutschland und Japan korrespondiert dies aber mit einem weniger als halb so grossen Primärenergieverbrauch. Die Gründe hierfür dürften v.a. bei der Energieintensität der dominierenden Wirtschaftszweige liegen (Bergbau/Industrie vs. Dienstleistung) und der Wertschöpfungstiefe. Nicht dargestellt ist das Land mit dem höchsten BIP: Luxembourg ($109/cap). Allerdings ist der CO2-Ausstoss mit 13.7t/cap ebenfalls sehr hoch.
Die Daten 2020/21 zeigen gegenüber den Vorjahren global einen Rückgang sowohl beim Primärenergieverbrauch wie auch beim BIP. Dies ist wohl zu einem guten Teil mit der weltweit grasierenden Covid-Pandemie zu erklären.
Einige Länder (z.B. A, D, DK, CH) konnten allerdings einen Zuwachs des BIP bei gleichzeitigem Rückgang des Primärenergieverbrauchs erzielen.
Die zweite Grafik zeigt die Stromproduktion derselben Länder. Bezüglich Energie ist darin eine Teilmenge aus der ersten Grafik enthalten. Strom wird mit Erdöl, Erdgas, Kohle, Kernenergie, Wasserkraft und Erneuerbaren produziert. Aus den relativen Verschiebungen gegenüber der ersten Grafik erkennt man, welche Länder – z.B. Saudi-Arabien – einen relativ hohen Verbrauch an fossilen Energieträgern aufweisen, der nicht für die Stromproduktion eingesetzt wird (v.a. Erdölraffinerien). Umgekehrt liegen die Werte bei der Stromproduktion für Länder wie Schweden, Norwegen oder auch die Schweiz näher bei oder sogar höher als diejenigen der USA. V.a. Norwegen exportiert einen erheblichen Anteil seines mit Wasserkraft produzierten Stroms nach Europa, unter anderem nach Dänemark, das vergleichsweise wenig Strom produziert.
Zur Illustration ist das Niveau des Stromverbrauchs eingezeichnet, das eingehalten werden müsste, wenn pro Kopf nicht mehr als 2‘000 W elektrischer Strom bezogen werden soll, was pro Jahr einer Energiemenge von rund 1‘750 kWh entspricht.
Die dritte Grafik schliesslich zeigt die CO2-Emissionen im Verhältnis zum BIP. Hier haben die Länder mit praktisch CO2-freier Stromproduktion wie die Schweiz und Norwegen im Verhältnis zum erzielten BIP die günstigsten Werte. Die Emissionen in der Schweiz liegen sogar relativ nahe am weltweiten Durchschnitt. In den USA ist der Verbrauch von Erdöl, Erdgas und in etwas geringerem Mass Kohle für die grosse CO2-Emission verantwortlich. China ist mit Abstand der grösste Verbraucher von Kohle, gefolgt von Indien, das die USA beim Kohleverbrauch überholt hat.
Gegenüber den Vorjahren sind bei den meisten Ländern auf der rechten Seite die CO2-Emissionen zurückgegangen – zusammen mit dem BIP. Auf der linken Seite sind bei China die Emissionen gestiegen, bei stagnierend bis leicht rückläufigem BIP/cap.
Geht man davon aus, dass in der sog. 2‘000W-Gesellschaft pro Person nicht mehr als eine Tonne CO2 emittiert werden soll, so entspricht das gerade etwa der durchschnittlichen CO2-Emission der Bewohner/innen von Indien. Aus der Grafik wird auch ersichtlich, dass die Emissionen in China mittlerweile nicht nur absolut am grössten sind, sondern per capita bereits über denjenigen der Schweiz, Frankreich, Spanien oder Italien liegen, nahe an denjenigen anderer OECD-Staaten wie Deutschland oder Japan. Allerdings ist das BIP per capita in China noch weit von demjenigen europäischer Länder entfernt.
Das Territorialprinzip bei der Erfassung von CO2-Emissionen beschönigt die CO2-Bilanz jener Länder, die Güter aus energieintensiven Herstellprozessen importieren und selber keine Güter aus solchen Prozessen exportieren. Die Primärenergie, die in diesen Prozessen eingesetzt wird, ist aber ganz entscheidend für die CO2-Bilanz dieser Güter. Am deutlichsten wird dies beim Strom, der entweder mit Wasserkraft oder Kernenergie praktisch klimaneutral produziert werden kann, oder im anderen Extrem grosse Emissionen verursacht, wenn er aus Kohlekraftwerken stammt. Neue erneuerbare Energien sind bezüglich Klimagasemissionen ebenfalls viel besser als Strom aus Kohle, Erdgas oder Erdöl, schneiden aber aufgrund des Verhältnisses von Materialaufwand für die Herstellung der Anlagen zu Energieausbeute schlechter ab als Wasser- oder Kernkraft.
Global gesehen werden etwa 40% des Stroms in Kohlekraftwerken produziert, 20% in Gaskraftwerken und 5% in Kraftwerken, die Erdöl als Brennstoff nutzen. D.h. etwa zwei Drittel der globalen Stromproduktion basiert auf Energieträgern, die Klimagase freisetzen. Die Stromproduktion ist deshalb einer der relevantesten Hebel für die Reduktion von Klimagasen – und lokal auch der Feinstaub- und Aerosolbelastung.