Ausgehend vom Referenzjahr 2000 sind die im Energiegesetz verankerten Ziele der Energiestrategie:

  • Energieverbrauch pro Person bis 2020 um 16%, bis 2035 um 43 % senken
  • Stromverbrauch pro Person bis 2020 um 3%, bis 2035 um 13 % senken
  • Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien bis 2020 auf 4’400 GWh, bis 2035 auf mindestens 11.4 TWh Strom steigern
  • Die Produktion aus Wasserkraft soll 2035 bei 37’400 GWh liegen
Stromverbrauch, Stromproduktion und Bevölkerungswachstum gemäss Angaben aus der Energiestrategie 2050

Die Grafik zeigt, wie sich Stromproduktion und Verbrauch bislang entwickelt haben und zeichnet ein Bild, das man erhält, wenn man den gesetzlich verankerten Zielwert des Stromverbrauchts pro Kopf mit der erwartenen Anzahl Einwohner multipliziert. Die Stillegungszeitpunkte der Kernkraftwerke wurden aus den Arbeiten entnommen, die das BFE in der Entwurfsphase der Energiestrategie in Auftrag gegeben hatte. Es wird unmittelbar ersichtlich, weshalb die bestehenden Kernkraftwerke möglichst lange weiter laufen sollen. In der Jahresbilanz würden sonst im Jahr 2035 mehr als 10 TWh Strom fehlen, was etwa der Produktion des Kernkraftwerks Leibstadt entspricht. Saisonal würde das Bild so aussehen, dass die Schweiz im Sommer ihren Bedarf mit Solarenergie und Wasserkraft decken könnte, während im Winter grössere Mengen fehlen würden.

Im Vorschlag für den neuen Art. 55 Abs. 3 EnG heisst es sinngemäss: Zeichnet sich ab, dass obige Richtwerte nicht erreicht werden können, so beantragt der Bundesrat die zusätzlich notwendigen Massnahmen. Auch die ElCom müsste aufgrund von Art. 9 StromVG aktiv werden, wenn die sichere und erschwingliche Versorgung mit Elektrizität im Inland trotz der Vorkehren der Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft mittel- oder langfristig erheblich gefährdet ist.

Die Energiestrategie hat keine Antwort auf die Frage, woher in Zukunft im Winter der fehlende Strom stammen wird.

Die beschlossenen Massnahmen sind:

  • Der Netzzuschlag für die Förderung erneuerbarer Energien («KEV-Abgabe») wird auf 2.3 Rp./kWh erhöht
  • Grosswasserkraftwerke können subventioniert werden
  • Zweckbindung der CO2-Lenkungsabgabe wird von 300 auf 450 Mio. CHF p.a. erhöht
  • Die Befreiung energieintensiver Betriebe von der KEV-Abgabe wird verbessert
  • Die kostendeckende Einspeisevergütung bzw. das Einspeisevergütungssystem (EVS), wie die KEV seit anfangs 2018 genannt wird, wird befristet bis 2022. Bis die letzten Anlagen keine KEV mehr beziehen, geht es aufgrund weiter laufender Verpflichtungen nochmals mindestens 15 Jahre
  • Produktionsanlagen in Naturschutzgebieten liegen neu im nationalen Interesse, gleichrangig mit den Interessen des Natur- und Heimatschutzes
  • Es werden keine neuen Rahmenbewilligungen für Kernkraftwerke mehr erteilt
  • Der Betrieb bestehender Kernkraftwerke wird solange weiter zugelassen, wie sie vom Ensi als sicher beurteilt werden

Die überwiegende Anzahl Gesetzesartikel der Energiestrategie betreffen das Energiegesetz und dort die Erhebung und Verteilung des Netzzuschlags (vereinfacht «KEV»), der auf dem Übertragungsnetz erhoben wird. Es gibt zwar auch einen Gesetzesartikel zur Energieeffizienz von serienmässig hergestellten Anlagen, Fahrzeugen und Geräten, allerdings wird hier der Takt von der EU vorgegeben.

Bei den Gebäuden und Unternehmen müssen die Kantone im Rahmen ihrer Gesetzgebung günstige Rahmenbedingungen für die sparsame und effiziente Energienutzung sowie die Nutzung erneuerbarer Energien schaffen. Der Bund richtet dafür Globalbeiträge an die Kantone aus. Er kann Projekte auch direkt mitfinanzieren.

Im Weiteren enthält die Energiestrategie eine Reihe von Vorschriften, die das CO2-Gesetz, das Stromversorgungsgesetz, das Elektrizitätsgesetz, das Raumplanungsgesetz und weitere Gesetze tangieren.

Es gibt einige Elemente, die für die Energiestrategie sprechen:

Die Befristung der KEV verhindert neue langjährige Verbindlichkeiten (die bereits eingegangenen Verbindlichkeiten laufen weiter) und zwingt die neuen erneuerbaren Technologien zu mehr marktnähe – sofern nicht zu gegebener Zeit die Befristung wieder fallen gelassen wird…

Die Plafonierung der KEV soll verhindern, dass die Kosten für die Förderung aus dem Ruder laufen. Man möchte nicht, dass die Schweiz dem Modell «Energiewende Deutschland» gänzlich folgt und hat deshalb mit der Befristung und Plafonierung zwei Sicherungen eingeführt, mit denen die Kostenexplosion eingeschränkt wird.

Die Teilzweckbindung der CO2-Abgabe ist zwar ein ordnungspolitischer Sündenfall, weil die ursprünglich staatsquotenneutrale Lenkungsabgabe immer mehr zu einer zweckgebundenen Steuer auf Emissionen wird, sie hat aber eine sachgerechte Logik, weil die Abgabe auf dem CO2 direkt für die Reduktion der CO2-Emissionen verwendet wird. Man sollte nicht mehr von einer Lenkungsabgabe sondern von einer zweckgebundenen CO2-Steuer sprechen.

Die Befreiungsmöglichkeit der Energieintensiven ist richtig, weil diese bereits seit langem viel zur Energieeffizienz beigetragen haben und es weiterhin tun müssen, um ihre Energiekosten tief zu halten. Müssten sie dazu noch eine Abgabe bezahlen, liessen sich etliche Produktionsstandorte in der Schweiz nicht mehr halten.

Beim nationalen Interesse können neu die Anliegen der Energieversorgung und die Anliegen von Natur- und Heimatschutz gleichgewichtig gegeneinander abgewogen werden, ohne dass Natur- und Heimatschutz immer eine höhere Priorität als der Energieversorgung zukäme.

Elemente, die gegen die Energiestrategie sprechen:

Das BFE gibt in seiner «Auslegeordnung Strommarkt nach 2020» zu, dass eine Gesamtschau fehle und es keine konkreten Konzepte für das Erreichen der Ziele der Energiestrategie gibt. Es wird vorgerechnet, dass mit dem vorliegenden ersten Massnahmenpaket quantitativ etwa die Hälfte der Ziele erreicht werden kann. Ein zweites Massnahmenpaket in Form einer Lenkungsabgabe auf Energie (KELS) wird vom Parlament nicht unterstützt. Soweit wie die Energiestrategie des Bundesrates heute gedacht ist, läuft sie auf eine Stromimportstrategie hinaus und hat ein Interesse daran, dass die bestehenden Kernkraftwerke möglichst lange am Netz bleiben.

Die traditionelle Stromwirtschaft hat das süsse Manna der Subventionen entdeckt und will diese nun auch für Grosswasserkraftwerke nutzen – finanziert aus dem Netzzuschlag auf dem Stromverbrauch.

Die Teilmarktöffnung zementiert Strukturen in der Stromwirtschaft, die innovationshemmend wirken. Neue digitale Geschäftsmodelle werden erschwert oder verunmöglicht. Diese wären für die Stabilisierung des Stromnetzes und Steuerung von Produktion und Verbrauch notwendig, wenn immer mehr fluktuierende Produktion aus PV und Windanlagen ins Netz einspeisen.

Ein Technologieverbot ist nicht notwendig, denn ohne Preis und Abnahmegarantien wird niemand in neue Kernkraftwerke investieren. Alle pendenten Rahmengesuche wurden bereits zurückgezogen.

Die Energiestrategie hat die  Schlussabstimmung im Parlament überstanden, weil die handfesten Partikulärinteressen politisch geschickt bedient wurden. Hüben wie drüben hofft man mit dem Erreichten besser zu fahren, als mit der bisherigen Regelung.

  • Subventionen werden zwar befristet, aber mit 2.3 Rp./kWh auch mit einem deutlich höheren Niveau fixiert – das freut staatsgläubige Umverteiler
  • Das Kernenergieverbot ist ein Uranliegen der Grünen
  • Die energieintensiven Industrien können sich mit Zielvereinbarungen von der Abgabe befreien
  • Gebäudesanierungen können über 3 Jahre verteilt von den Steuern abgezogen werden, zur Freude der Hauseigentümer
  • Grosswasserkraftwerke können Subventionen erhalten – die Assets der Kantone und Gemeinden sowie entsprechende Konzessionseinnahmen sind gesichert
  • Das Gebäudeprogramm wird aufgestockt – Damit erhalten Bauunternehmen und Gewerbe den grösseren Teil aus der Teilzweckbindung der CO2-Lenkungsabgabe
  • Mit dem Argument pro Wasserkraft für die Versorgungssicherheit wird die vollständige Strommarktöffnung weiter verzögert – gefangenen Kunden können Gestehungskosten plus Gewinn verrechnet werden

Last but not least werden konkrete quantitative Ziele vorgeschrieben, an denen der Erfolg gemessen werden kann. Politik und Verwaltung haben damit eine Basis um neue und weitergehende Massnahmen zu fordern, sobald sich abzeichnet, dass die bisherigen Massnahmen nicht reichen und aus dem zweiten Massnahmenpaket (KELS) nichts wird.

Einen Haushalt mit einem Verbrauch von 5’000kWh Strom kostet die KEV «nur» 115 CHF/a. Wie so oft bei neuen Zu- und Aufschlägen wird das in Tassen Kaffee umgerechnet und als «verkraftbar» deklariert. Ein KMU, das gerade genug Strom verbraucht, um marktberechtigt zu sein, kostet die Abgabe 2’300 CHF. Ein grosses Industrieunternehmen mit 500GWh Verbrauch bezahlt 11.5 Mio. CHF in den Subventionstopf. Aus diesem werden jährlich rund 1 Mia. CHF an Subventionsempfänger verteilt.

Siehe auch Beitrag «Energiestrategie 2050 und Versorgungssicherheit»

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